Neues Jahr, neue Zeit: der Uhrenguide für 2023
Mal ganz nebenbei bemerkt: Rund 30 bis 50 Prozent aller Entdeckungen lassen sich auf Zufälle zurückführen. Ob Klettverschluss, Teflon, Post-it, Penicillin, Viagra oder Röntgenstrahlen – man findet etwas, was man so überhaupt nicht gesucht hatte. Der ursprüngliche Plan scheitert, doch dafür wird man mit anderem belohnt. So entpuppte sich dann ja selbst der Urknall nicht nur als ein Aha-Erlebnis für das Universum, sondern ein paar Milliarden Jahre später auch als eines für die Wissenschaft.
Im Englischen gibt es einen Begriff für diese Art der Überraschungs-Erkenntnisse: Serendipity. Für eine direkte Übersetzung könnte man es aus »serene« (heiter, gelassen) und »pity« (Missgeschick) ableiten: Man hat Pech, ist aber trotzdem gut drauf. Ein »glücklicher Zufall« eben. Allerdings nur, wenn man so eine Zufallsgelegenheit 1. überhaupt realisiert und 2. mit intelligenten Schlussfolgerungen als gute Option nutzt. Na ja, und dann kann man die Angelegenheit sogar mit Absicht angehen.
Bei Horace Walpole, dem Schöpfer des Begriffs, heißt das »by accidents and sagacity«. Das glückliche Zusammentreffen von Zufall und Frustrationstoleranz, Kreativität und Klugheit. Wissenschaftler sprechen hier in Verbindung mit Serendipität auch von »controlled sloppiness«, einem kontrollierten, dokumentierbaren, schlampigen Abweichen bei Versuchsanordnungen. Für den Klugen ist ein Irrtum eine Information, für den Dummen ist ein Irrtum ein Irrtum. Und Albert Einstein legte noch einen drauf: »Wenn wir wüssten, was wir tun, wäre es keine Forschung.«
Und idealerweise vertraut man vor allem seiner Kreativität. Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann trifft hier den Kern. Er bezeichnet Kreativität auch als »Fähigkeit zum Ausnutzen von Gelegenheiten«, beziehungsweise als »Verwendung von Zufällen zum Aufbauen von Strukturen«.
Gerade Kreative experimentieren häufiger und scheitern häufig. Geniestreiche kommen nicht zustande, weil mehr gelingt, sondern weil man es öfter versucht, dazu Penetranz und Zähigkeit und der Mut, vieles auch mal fröhlich in den Sand zu setzen. Aber das eine ist eben ohne das andere nicht zu haben.