Das universelle Lächeln: ein Gespräch mit dem Smiley-Erfinder Scott E. Fahlman
Professor Fahlman, vor 40 Jahren haben Sie das Emoticon erfunden. Wie kam es dazu?
Ja, das waren nur zehn alberne Minuten meines Lebens, die mich bis heute verfolgen (lacht). Es war 1982, und das militärische ARPAnet, der Vorläufer des Internets, war gerade für die zivile Nutzung freigegeben worden. Die Carnegie Mellon University hatte damals eine der größten und bestausgestatteten Fakultäten für Informatik weltweit. Für damalige Verhältnisse hieß das: Die Doktorandinnen und Doktoranden der Informatik hatten einen Computerraum mit zwanzig Rechnern. Da man damals zu Hause weder einen eigenen Computer noch entsprechende Telefonverbindungen hatte, verbrachten die meisten Studierenden ihren Tag in diesen »Terminal Rooms«.
Die Computer dieses »Rooms« waren miteinander verbunden, und man konnte sich Dateien und Textnachrichten schicken. Das war nicht ideal, um mit der Arbeit voranzukommen, dafür aber durchaus amüsant und gesellig. Es war wie eine Urform der heutigen sozialen Netzwerke. Man schrieb nicht dem Einzelnen, sondern auf allgemeine »Bulletin Boards«, also auf digitale Pinnwände, und jeder in der Community konnte eine Nachricht posten. Es gab solche »Bulletin Boards« zu den unterschiedlichsten Themen: eines für die Ankündigung von Fachveranstaltungen, eines für verlorene Gegenstände, mehrere für verschiedene Interessengruppen. Das Problem an dieser primitiven Form von sozialem Netzwerk waren natürlich die Missverständnisse.
»Ja, das waren nur zehn alberne Minuten meines Lebens, die mich bis heute verfolgen!«
Was für Missverständnisse waren das?
Bei den Nachrichten, die man in das »Bulletin Board« schrieb, fehlte die Nuancierung durch Mimik und Tonfall des Gegenübers. Hinzu kam, dass die Community ausschließlich aus Nerds bestand, mit Hang zu Sarkasmus und schrägem Humor. Es kam also häufig vor, dass jemand eine Nachricht postete, die eigentlich als Spaß gedacht war, aber es gab immer jemanden, der die Absicht nicht verstand und empört zurückschrieb. Daraus entbrannten regelrechte Wortschlachten.
»Bei den Nachrichten, die man in das »Bulletin Board« schrieb, fehlte die Nuancierung durch Mimik und Tonfall des Gegenübers. Hinzu kam, dass die Community ausschließlich aus Nerds bestand, mit Hang zu Sarkasmus und schrägem Humor.«
Und eine dieser Wortschlachten legte den Grundstein für die Erfindung des Smileys?
Ja, wir hatten gerade im »Bulletin Board« absurde Hypothesen diskutiert: was passieren würde, wenn das Stahlseil unseres Aufzugs reißt und die Kabine sich im freien Fall befände. Wir diskutierten, ob ein Vogel darin kopfüber fliegen würde, eine Kerze in der Kabine ausgehen würde –, oder wie eine Pfütze Quecksilber auf dem Fußboden des Aufzugs auf den freien Fall reagieren würde. Wenig später postete ein Kollege zum Spaß eine Meldung, der Aufzug sei aufgrund von Feuerschäden und Quecksilber-Kontamination für ein paar Tage außer Betrieb.
Er bekam mächtig Ärger mit dem Gebäudetechniker. Aus dieser Episode entstand eine lange Diskussion, wie man am eindeutigsten einen Satz als Scherz kennzeichnen könne. Ich schlug vor, man solle humoristische Nachrichten von nun an mit :-) markieren. Ich dachte, wir würden diese Zeichen ein paar Tage lang im »Bulletin Board« nutzen, und bald würde alles wieder vergessen. Wir staunten sehr, als sich das Emoticon dann innerhalb einer Woche auf das gesamte Netzwerk unseres Campus verbreitete. Es ging sozusagen zu einer Zeit viral, in der es das Konzept der viralen« Verbreitung von digitalen Inhalten noch gar nicht gab.
»Wir staunten sehr, als sich das Emoticon dann innerhalb einer Woche auf das gesamte Netzwerk unseres Campus verbreitete.«
Wie ging es danach weiter?
Immer mehr Leute fingen an, das Smiley in ihren Nachrichten einzubauen. ARPAnet war gerade für Forschungszwecke freigegeben worden, und die Carnegie Mellon University war eine der zwanzig Universitäten und Unternehmen in den USA, die angeschlossen waren. Es war die Zeit (…)