Al Pacino: Eine Frage des Begehrens
Mister Pacino, Sie gelten für viele als einer der herausragenden Charakterdarsteller des zeitgenössischen amerikanischen Films, arbeiten als Regisseur und Produzent – was würden Sie sagen, wenn wir Sie bitten, auf Ihre glorreiche Karriere zurückzublicken?
Al Pacino: Bitte bringen Sie mich jetzt nicht dazu, dass ich das tun muss! Ich bin einfach nicht so gepolt, dass ich zurückschaue – und ich danke Gott dafür. Natürlich gibt es mal Anlässe, wo Retrospektiven meiner Filme gezeigt werden. Die nehme ich so hin und lasse mich dahin treiben, wo dieser ganze Ruhm und Glamour mich hinführen – go with the glow. Und ich bin dankbar für alles, was ich erleben durfte. Aber freiwillig schaue ich nicht zurück.
Aber das ist doch in Ihrem Fall was Angenehmes, finden Sie nicht?
Wissen Sie, was ich mag? Wenn jemand auf mich zukommt und sagt: »Wissen Sie noch, als wir uns vor drei Jahren begegnet sind? Sie waren so nett zu mir.« Das höre ich gern. Was man dazu wissen muss: Ich habe kein so tolles Gedächtnis, treffe viele Leute und kann mich selten an Begegnungen erinnern. Aber wenn jemand so etwas zu mir sagt, ist es so, als würde jemand in meiner Biografie schreiben: »Al Pacino war kein schlechter Kerl.«
Genießen Sie es nicht manchmal doch, bewundert zu werden? Kollegen wie Javier Bardem vergleichen Sie mit Gott.
Früher hatte ich mit solchen Bekundungen Schwierigkeiten. Ich wusste nicht, was ich damit anfangen soll. Jetzt sehe ich das anders. Das ist einfach Enthusiasmus, und jeder hat das Recht auf solche Gefühle. Und ich weiß diese Emotionen sehr zu schätzen. Aber ich nehme solche Aussagen nicht wörtlich. Ich weiß, dass ich diesen Menschen etwas bedeute – so wie mir andere Schauspieler etwas bedeutet haben. Und das macht mich glücklich.

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»Ich bin nie Schauspieler geworden.
Ich war es.«
Gibt es sonst Komplimente, mit denen man Sie glücklich machen kann?
Eine Frau meinte mal zu mir, ich sei so cool wie Mick Jagger. So einen Vergleich lasse ich mir gerne gefallen.
Ist die Suche nach solchen Glücksgefühlen der Grund, weshalb Sie Schauspieler geworden sind?
Ich bin nie Schauspieler geworden.
Sondern?
Ich war es. Will sagen: Die Leute nannten mich schon einen Schauspieler, bevor mir selbst überhaupt der Gedanke kam. Ich wurde in der South Bronx groß, einer armen Gegend, mein Vater verließ meine Mutter, als ich zwei war. Meine Mutter hatte Gelegenheitsjobs, es waren vor allem meine Großeltern, die sich um mich kümmerten. In dem Milieu planst du nicht, Schauspieler zu werden. Aber es gab eine Lehrerin, Blanche Rothstein. Sie sah, wie ich in der Schulversammlung voller Inbrunst aus der Bibel vorlas, und steckte mich in Aufführungen. Und dann stieg sie die fünf Stockwerke zu unserer Wohnung hoch, um mit meiner Großmutter Kaffee zu trinken und ihr zu erzählen, was ich mit meinem Leben anstellen solle. Deshalb habe ich immer noch ein romantisches Bild von Lehrern. Obwohl meine Großmutter garantiert nicht verstand, worauf sie hinauswollte.