I(r)re gut: Colin Farrell im Interview
Sie haben in Ihrem Leben und Ihrer Karriere atemberaubende Wandlungen erlebt – vom Shooting Star zum Bad Boy. Dann wurden Sie braver Familienvater, drehten lieber Kunstfilme statt Blockbuster. War das der Plan?
Die Natur und das Leben wollen, dass wir uns ändern. Warum soll ich mich da an einer Entwicklungsstufe festklammern? Das ist nicht gesund. Aber welche Faktoren mich dabei genau beeinflusst haben, kann ich nicht beurteilen. Schließlich stecke ich sozusagen mittendrin im Prozess, da habe ich keine Außensicht. Es war allerdings nicht so, dass ich mich nach der Meinung anderer Leute orientiert habe, sondern an mir selbst.
Sie haben ja Ihren Lifestyle sichtlich geändert. Irgendwann war Schluss mit Alkohol und Drogen. Woran lag das?
Eindeutig daran, dass ich Vater wurde. Und ich war komplett kaputt und ausgelaugt. Meine Kerze brannte von beiden Enden her ab, bis nur noch ein kleiner Stumpf in der Mitte übrig war. Ich war lang genug auf der Party, und irgendwann wird das Ganze langweilig. Jede Nacht faselst du den gleichen Müll in das Ohr von jemand, der so tut, als würde er sich für dich interessieren. Diese Änderungen waren alle zwangsläufig. Mir war klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte.

rampstyle #18
La pensée sauvage
2023 spielt Colin Farell in »The Banshees of Inisherin« die Rolle des Pádraic.
Der Film gewann bereits drei Golden Globes - und gilt auch als ein Oscar-Favorit. Das Thema der historischen Tragikomödie? Ein abruptes Ende der lebenslangen Freundschaft zwischen zwei irischen Männern.
Wie bleiben Sie jetzt auf dem richtigen Weg?
Da habe ich keine großen Weisheiten zu bieten. Das Entscheidende ist, dass du dich selbst und andere mit Respekt behandelst. Du musst dir dabei im Klaren sein, dass es im Leben nicht immer so läuft, wie du das vielleicht gerne hättest. Und du schaffst es nur, deinen Prinzipien treu zu bleiben, indem du dich auf den einzelnen Moment konzentrierst und dich da richtig verhältst. So legst du einen Tag nach dem anderen auf dem richtigen Weg zurück.
Welchen Vorteil hat der Verzicht auf berauschende Substanzen für Sie?
Ich bin mir meiner Umgebung, meiner Freunde und meiner selbst mehr bewusst. Ich habe klarere Gedanken, und das beeinflusst natürlich meine Einstellung zu Leben und Arbeit.
Und wenn Ihre neue Einstellung nicht ohne Weiteres funktioniert? Was hilft Ihnen da?
Ich habe meine guten Freunde und meine Familie, wenn ich mal Rat brauche. Für mich war es auch wichtig, dass ich Yoga entdeckt habe. Wenn ich das mal schleifen lasse, dann kann ich es nicht mehr erwarten, mich wieder auf die Matte zu legen. Ansonsten helfen Spaziergänge in der Natur.
»Die Natur und das Leben wollen, dass wir uns ändern. Warum soll ich mich da an einer Entwicklungsstufe festklammern?«
–
Colin Farrell
Yoga ist wirklich etwas für Sie?
Ich habe mir das ursprünglich auch nicht träumen lassen. Aber gerade weil ich erkannte, dass sich in meinem Leben einiges verändert, dachte ich mir: Eines Tages erreiche ich die Phase, wo ich Yoga mache. Und dann war es so weit: Ich war einmal nachmittags zu Hause, hatte nichts zu tun, meine Kinder waren bei ihren Müttern. Und ich dachte mir: Jetzt versuchst du’s – ich ging online, suchte mir die passende Stunde heraus. Ich habe es sofort geliebt.
Aber als Hollywoodstar werden Sie da doch sofort erkannt.
Ich habe kein Problem, wenn mich die Leute ansprechen, eigentlich finde ich es ganz gut, wenn ich ein wenig Gemeinschaft erlebe. Aber beim Yoga musst du dich ja mit niemanden unterhalten. Es sind einfach nur 40 Leute im gleichen Raum, die das gleiche Ziel haben. Das mag ich.
Früher spielten Sie ja in großen Actionfilmen. Ist es mit solchen Rollen in Ihrem neuen Yoga-Leben vorbei?
Ich versuche nichts bewusst zu vermeiden. Ich suche mir einfach einen Job nach dem anderen. Klar spiegeln sich meine persönlichen Erfahrungen in meinen Entscheidungen wider. Und wenn ich gerade eine bestimmte Rolle gespielt habe, dann will ich mich nicht wiederholen. Ich möchte durch meine verschiedenen Figuren auch die ganze Vielfalt des Lebens kennenlernen und erforschen.
»Ich versuche nichts bewusst zu vermeiden. Ich suche mir einfach einen Job nach dem anderen. Klar spiegeln sich meine persönlichen Erfahrungen in meinen Entscheidungen wider.«
Gab es denn Rollen, auf die Sie gerne verzichtet hätten?
Natürlich. Ich ging frühzeitig von der Schule ab, habe keine formelle Ausbildung, weil ich Schauspieler werden wollte. Es gab eine Phase, da habe ich fast alles für Geld getan. So hatte ich nebenher einen Job als Model. Einmal meinten die Typen in der Agentur zu mir: »Wir brauchen jemand.« – »Wie viel gibt’s?« – »20 Pfund.« – »Ich bin dabei. Ich kann verdammt noch mal fast alles. Hauptsache, ich habe wieder Geld für mein Guinness.« Also trat ich im nationalen irischen Fernsehen als Unterwäschemodel auf. Und ich spreche hier nicht von irgendwelchen Boxershorts, sondern von einem Tanga, einem verdammten Tanga!
Gibt’s diesen Clip irgendwo zu sehen?
Wenn jemand den findet, kann er oder sie reich werden. Man muss mich nur damit erpressen. Dann werde ich alles zahlen, was ich habe.
Wie ist es mit richtigen Filmrollen? Haben Sie davon welche bereut?
Es gab schon Filme, nach denen ich (…)